Change Management 2012 - eine Studie von Capgemini

Capgemini Consulting hat wieder eine Studie zum Thema Change Management herausgegeben. Die letzte Studie stammt aus dem Jahre 2010 und ich hatte auch damals darüber berichtet.

Diese Studie steht unter dem Titel „Digitale Revolution – Ist Change Management mutig genug für die Zukunft?“. Die Ergebnisse der umfangreichen Befragungen werden also in den Kontext der aktuellen Entwicklungen gestellt und – besonders interessant – die Frage aufgeworfen, ob Change Management tatsächlich den erforderlichen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen leisten kann. Bei den Herausforderungen konzentrieren sich die Autoren auf die Bereiche:

  • Digitale Transformation und die Veränderung von Arbeitskulturen
  • Fluide Organisationen, also alles um Diversity, die Führung virtueller Strukturen und die Abnahme hierarchischer Macht
  • Wissensgesellschaft und demografischer Wandel, verbunden mit struktureller und individueller Veränderungsfähigkeit
  • Eine neue Balance zwischen Produktivität und sozialen Anforderungen, Arbeitsverdichtung und Sinnfragen

Wie bereits bei den Vorgängerstudien wurden ausnahmslos Führungskräfte aus Großunternehmen bzw. großen Mittelständlern befragt. Es gab 131 Online-Befragungen, ergänzt durch 21 qualifizierte Interviews. Diese Herangehensweise sichert einerseits ein repräsentatives Bild, beschränkt dieses aber nur auf einen Ausschnitt des wirtschaftlichen Spektrums. Die große Menge der kleineren Unternehmen und der Löwenanteil des Mittelstands werden nicht erfasst. Außerdem werden weder die Ebenen der Mitarbeiter und des Mittelmanagements, also die unmittelbar vom Wandel und von Change Management Betroffenen, noch Betriebsräte oder externe Berater um ihre Meinung gebeten. Insofern muss man die Aussagen der Studie mit einem kritischen Blick bewerten.

Trotzdem – das ist mein persönliches Fazit, also das einer Person, die seit 20 Jahren sehr intensiv mit der Materie befasst ist – die Studie 2012 übertrifft ihre Vorgängerinnen sowohl hinsichtlich Tiefe als auch Reichweite der Schlussfolgerungen. Hier eine Auswahl:

  1. Change Management ist in den Unternehmen angekommen. Das drückt sich vor allem darin aus, dass Veränderungen als Dauerzustand wahrgenommen werden. Wandel vollzieht sich nicht mehr periodisch und anlassbezogen, sondern permanent, parallel und immer wieder von Neuem, auf allen Ebenen. „Business as usual“ ist in der Wahrnehmung der meisten Verantwortlichen in den Unternehmen abgelöst von „change as usual“. Change hat eine Menge seines Bedrohungspotenzials verloren.
     
  2. Die Normalität von Change drückt sich auch darin aus, dass Change Management bereits als integraler Bestandteil von Führung wahrgenommen und sich diese Tendenz zukünftig weiter verstärken wird. Das stellt Führungskräfte vor ganz besondere Herausforderungen, denen in der Studie ein ganzes Kapitel gewidmet ist, wenn auch die Ausführungen an vielen Stellen noch vage bleiben. Das hat offensichtlich seine Ursache darin, dass Change Leadership erst allmählich im Bewusstsein der Führungsriegen Konturen annimmt. Humanagement beschäftigt sich übrigens im Rahmen eines internen Projekts seit einem halben Jahr sehr intensiv mit diesem Thema. Publizierbare Ergebnisse erwarten wir Mitte des Jahres.
     
  3. Methodisch bietet Change Management nach wie vor ein sehr heterogenes Bild. Es ist vorrangig toolorientiert und konnte bisher keinen einheitlichen theoretischen Überbau ausbilden. Von den verschiedenen Angeboten konnte sich keines durchsetzen. Allerdings wird allmählich klarer, dass die meisten der bisherigen Ansätze (als Beispiel wird KOTTER genannt) mit ihrer Linearität und Planbarkeit wenig zielführend sind. Die Autoren postulieren für die Zukunft jedoch zunehmend methodische Konvergenz.
     
  4. Als entscheidend neuen Ansatz erkennen die Autoren (ergänzt übrigens durch einen Gastkommentar von Felicitas von Kyaw, die in den Vorgängerstudien federführend war) das Changeability-Konzept, mit dem wir uns bei Humanagement ja bereits seit einigen Jahren beschäftigen. Einige Leser erinnern sich sicherlich an unsere Umfrage mit dem Change-o-Meter (http://www.change-o-meter.de/humwebsite). Es geht bei Changeability darum, wie ein Unternehmen sein muss, um den Unvorhersehbarkeiten des Wandels begegnen zu können, ohne diese wirklich zu kennen. Wie das funktionieren kann, beantwortet die Capgemini-Studie allerdings nicht. Da sollte man eher noch einmal mein Buch „Jenseits vom schnellen Gewinn“ zur Hand nehmen.
     
  5. Im Vergleich zu den Vorgängerstudien wird die Rolle von Emotionalität für den Erfolg von Change-Projekten wesentlich höher bewertet. Empathie wird als Schlüsselthema für die kommenden Jahre ausgemacht. Allerdings wird genau an dieser Stelle ein großer Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit offenbar. So ist den Verantwortlichen zwar klar, dass Partizipation und Commitment der Beteiligten entscheidend sind, in der Praxis dominiert jedoch das Top/down-Prinzip. Ich persönlich glaube, dass sich hierin neben der methodischen Unsicherheit des Managements vor allem tradierte Denk- und Verhaltensmuster ausdrücken.
     
  6. Digitalisierung als Bereicherung der Arbeitsweise im Change Management wird gegenwärtig nicht gesehen, von den Autoren jedoch für die nächsten Jahre erwartet.

Alles in allem bietet die Capgemini-Studie einen guten und anregenden Überblick. Wer ein wenig Zeit erübrigen kann, sollte sie sich in der Tat einmal durchsehen (www.de.capgemini-consulting.com/cm). Bleibt noch anzumerken, dass sich diese Capgemini-Studie und unsere Change-o-Meter-Studie (http://www.humanagement.de/files/Abschlussbericht_Studie-Change-o-Meter.pdf) aus April 2011 sehr gut ergänzen, da wir kleine und mittelständische Unternehmen und auch die Arbeitsebenen einbezogen hatten. Die Ergebnisse, die wir mit unserem Changeability-Check in 2012 erzielt haben, werden in eine weitere Humanagement-Studie einfließen, die wir im zweiten Halbjahr 2013 veröffentlichen. Es bleibt also spannend!