Die Kunst des Netzwerkens

Vor einigen Jahren habe ich in einem Aufsatz für eine Managementzeitschrift ein Paradoxon gebraucht:

Netzwerke organisiert man, indem man sie nicht organisiert.

Wörtlich genommen stimmt das natürlich nicht. Es ist im Gegenteil schon eine ganze Menge an organisatorischer Arbeit nötig, um Netzwerke erfolgreich zu machen. Da müssen Mitgliedsdaten verwaltet, Interessenten mit Informationsmaterial versorgt, thematische Vorarbeit geleistet und Veranstaltungen organisiert werden. Selbstverständlich benötigt ein gutes Netzwerk auch eine Website, die erstellt und immer aktuell gepflegt werden muss. Das alles jedoch macht noch nicht einmal 10 % des Erfolgs eines Netzwerks aus.

Der wirksamste Erfolgsfaktor für ein Netzwerk ist Absichtslosigkeit. Gemeint ist hiermit, dass ein Netzwerk weder auf vordergründige Vorteile der Netzwerkbetreiber noch auf eng umrissene Absichten der Netzwerkmitglieder ausgerichtet sein darf. Viele Netzwerke haben eindeutig den Zweck des Geldverdienens. Die Mitglieder dieser Gruppierungen, der kommerziellen Netzwerke, zahlen zu Beginn einen „Eintritt“ und danach regelmäßige Beiträge. Daneben müssen sie häufig auch noch für bei den Treffen in Anspruch genommene Leistungen zahlen, wie Essen und Getränke, Umlagen für Referenten usw. In der Regel bleibt auch von diesen Geldern etwas beim Netzwerkbetreiber hängen. Viele Business-Netzwerke funktionieren nach diesem Schema. Die Bekannteren unter ihnen verkaufen zusätzlich noch das Image, „dazu zu gehören“, natürlich für beträchtliches Geld. Die Absicht besteht hier also eindeutig darin, durch das Betreiben eines Netzwerks Geld zu verdienen. Bei den Mitgliedern kann das leicht zu Frustration und nachlassendem Interesse führen.

Eine weitere Absicht besteht oft auf Seiten der Netzwerkmitglieder selbst, bzw. sie wird ihnen suggeriert. Es ist die Absicht, im Rahmen des Netzwerks Geschäfte anzubahnen. Häufig merken viele Mitglieder solcher Netzwerke nach einiger Zeit, dass sich diese Vorstellung nicht erfüllt. Das führt zu Enttäuschung und nachlassendem Interesse. Gerade in Business-Netzwerken ist diese Erscheinung oft zu beobachten. Für einige Mitglieder erfüllt sich diese Absicht zwar und diese bilden dann regelrechte Klüngel innerhalb des Netzwerks. Bei den anderen jedoch führt gerade das zu besonderer Frustration. Sie gehen dann nicht mehr zu den Treffen oder treten nach und nach aus. Das Netzwerk schrumpft nach einiger Zeit, viele lösen sich sogar auf.

Das beste Mittel gegen solchen Verfall besteht darin, die Vordergründigkeit der Absichten nach Geldverdienen oder Geschäftsanbahnung auszuschließen. Beispielhaft ist das beim FinV-Netzwerk gelöst, einem Netzwerk für „Frauen in Verantwortung“. Da gibt es weder Eintrittsgeld noch Beiträge. Es gibt keinerlei Zutrittsbeschränkungen bzw. -preferenzen. Alle Interessenten, von der Hausfrau und Studentin bis zur Unternehmerin, sind willkommen. Es geht ausdrücklich nicht um Geschäftskontakte, es werden keine Adresslisten bereit gestellt. Die Mitglieder treffen sich aus Freude am Kennenlernen und am Austausch. Und wenn im Direktkontakt dann doch das eine oder andere Geschäft entsteht, fein. Aber es gehört nicht zu den erklärten Absichten des FinV-Netzwerks.

Stattdessen ist es bei FinV gelungen, den Sinn der Mitwirkung im Netzwerk an besondere Initiativen zu koppeln, an „Initiativen für eine bessere Welt“. Diese werden nicht vorgegeben, sondern von den Mitgliedern in Workshops selbst bestimmt, in Initiativgruppen weiterentwickelt, gemeinsam unterstützt und publiziert. Wer möchte, kann daran teilnehmen. Finden sich genügend Teilnehmer an einer solchen Initiative, dann wird sie betrieben. Interessanterweise ist gerade diese offene, nicht vorgegebene Form der selbstgestalteten Sinngebung einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren des FinV-Netzwerks (www.FinV.net).

Jedes Netzwerk lebt von den ständigen Kontakten seiner Mitglieder untereinander. Die Kontakte dürfen sich nicht auf die Netzwerktreffen beschränken. Wichtig ist, dass die Mitglieder auch zwischendurch im Austausch sind. Dies kann im Rahmen von Untergruppen erfolgen, bei FinV zum Beispiel in den Initiativgruppen. Wichtig ist auch der informelle Austausch zwischen Mitgliedern, ohne dass zu Netzwerktreffen eingeladen ist. Manche organisieren sich dazu auf persönlicher Basis, andere nutzen vom Netzwerk eingerichtete Meeting Points, informelle Golfrunden oder eher zufällige Treffen zum Wochenausklang.

Der Erfolgsfaktor „kontinuierliche informelle Kontakte“ lässt sich heute auch sehr effektiv über das Internet organisieren. Mit Hilfe moderner Web-2.0-Technologie können Plattformen gegenseitigen Austauschs entwickelt und bereitgestellt werden. Dort präsentieren sich die Netzwerkmitglieder und treten miteinander in Blogs und Chatrooms in Austausch. Eine solche Form macht das Netzwerk auch nach außen attraktiv, lässt über Netzwerkaktivitäten und Erfolge berichten. Vor allem jedoch wird auch hier das Prinzip der aktiven Selbstorganisation wirksam.

Moderne und erfolgreiche Netzwerke verwirklichen den sozio-systemischen Erfolgsfaktor Offenheit. Es geht um Offenheit für Vielfalt und Neues, um offenen Austausch, um Offenheit für Menschen und deren Andersartigkeit und um Offenheit bei der Ausrichtung und Gestaltung der Netzwerke und ihrer Inhalte. Dadurch unterscheiden sich diese Netzwerke von Seilschaften und Klüngelwirtschaft, die ja gerade Offenheit vermeiden wollen, um sich gegenüber Anderen Vorteile zu verschaffen.

Auf diesen Zweck hin dürfen Netzwerke eben nicht angelegt sein. Man organisiert sie am Besten dadurch, dass man sie genauso nicht organisiert. Stattdessen muss man Möglichkeiten und Bedingungen schaffen, dass sie sich frei und offen entfalten können. Dazu gehört - natürlich - auch ein wenig Organisation. Womit das Paradoxon gerundet wäre.