Handover – Verantwortungswechsel bei Projektbearbeitung

Im Verlaufe von Projektbearbeitungen entstehen Situationen, in denen die Verantwortung für das Projekt wechselt. Dies kann situationsbedingt erfolgen, zum Beispiel wegen des Wechsels des Projektleiters. Bei anderen Projekten erfolgen derartige Wechsel planmäßig und gehören sozusagen zum Lebenszyklus des Projekts. Bei der Entwicklung neuer Produkte oder Verfahren und beim Aufbau von Fabrikanlagen sind solche Wechsel der Verantwortung (Handover) an der Tagesordnung. Das Bild zeigt dies schematisch; in jeder Branche gibt es im Detail spezielle Regeln und ein ganz spezifisches Wording.

Bearbeitungskette von Projekten

In den Lehrbüchern über Projektmanagement steht, dass für das Handover genau definiert werden muss, welche Bedingungen die Vorstufe zu erfüllen hat, damit die Folgestufe die Projektverantwortung übernimmt. Der Produktionsbereich bestimmt also, welche Nachweise die Entwickler eines Produktes vorzulegen haben, damit es in die Serienproduktion übernommen werden kann. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, wird das neue Produkt nicht bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt.

Jeder Praktiker weiß, dass es so akademisch nicht funktioniert. Oft sind die Bedingungen eines Handover nicht oder nur ungenau definiert. Wenn sie definiert sind, werden sie nur unzureichend erfüllt. Trotzdem muss das neue Produkt gefertigt werden oder die neue Technologie in Betrieb gehen, und zwar pünktlich. In der Praxis wird dies mitunter, ungeachtet bestehender Unklarheiten und Mängel, regelrecht erzwungen. Das Pikante daran ist, dass es in aller Regel immer den letzten in der Kette der Projektbearbeitung trifft, der in den meisten Fällen für eingetretene Verzögerungen oder Qualitätsmängel bei der Projektbearbeitung gar nicht verantwortlich ist. Den Letzten beißen
bekanntlich die Hunde. Die Ursachen für die Probleme, die sich gegen Ende eines Projekts auftürmen, stammen fast ausnahmslos aus den vorhergehenden Bearbeitungsstufen. Da treffen wir auf die typischen Sünden wie zu spätes Anfangen oder das Abliefern halbfertiger Ergebnisse. Aber natürlich treten in der Endphase eines Projekts auch Probleme zutage, die vorher tatsächlich niemand ahnen konnte.

Der für die Einführung des Ergebnisses in die Praxis Verantwortliche versucht sich in der Regel auf zwei Arten abzusichern:

  • Er versucht eine Nachweisführung über die Sünden seiner Vorstufen, um deren Schuld und seine Unschuld zu beweisen. Er glaubt, auf diese Weise Verständnis für seine Schwierigkeiten und vielleicht sogar Terminverschiebungen oder andere „Marscherleichterungen“ zu bekommen, zumindest jedoch seine Haut zu retten für den Fall, dass etwas schief geht.
     
  • Er baut – lehrbuchgerecht – einen Forderungskatalog gegenüber seinen Vorstufen auf und prüft deren Übergabestatus daran ab. Er glaubt auch hier, mit dem Nachweis der Unzulänglichkeit der Vorstufenergebnisse Vorteile für die Phase zu erlangen, in der er selbst dann die Verantwortung trägt.

Beides funktioniert jedoch nicht. Als Verantwortlicher für den letzten Schritt muss er für das Endergebnis gerade stehen. Er ist es, der dem Auftraggeber die Nichterfüllung des Produktionsstarts melden muss. Er kommt mit der Liste der nötigen Nachbesserungen und verlangt dafür mehr Budget. Zwar kann er mit dem Finger auf die Vorstufe zeigen und vielleicht hat er ja damit auch Recht, aber der Makel bleibt bei ihm hängen, denn er ist der Überbringer der schlechten Botschaft. So ungerecht ist die Welt!

Die Lösung all dieser Probleme ist eigentlich nicht so schwierig. Man muss sich dazu nur von den Lehrbüchern lösen und stattdessen mit Praktikern reden. Für erfahrene Projektmanager beschränkt sich das Handover nämlich nicht auf den Akt an sich, schon gar nicht auf die rein formale Übergabe. Sie betrachten Handover als Prozesse, die aktiv gestaltet werden müssen. Dabei stützen sie sich alle auf einige bewährte Grundsätze:

  1. Die Gestaltung eines Handover beginnt bereits Monate vorher. Die Übernehmenden bringen sich konsultativ in die Arbeiten der Vorstufe ein. Das beschränkt sich nicht auf Zusehen, sondern trägt beratenden Charakter.
     
  2. Die Gestaltung des Handover geschieht immer gemeinsam zwischen den Übergebenden und Übernehmenden. Handover ist ein Prozess fortwährenden gemeinsamen Gestaltens. Die Bedingungen des Handover werden anfangs allgemein vereinbart, da zu einem frühen Zeitpunkt einfach noch zu wenige Fakten vo rliegen und rein hypothetische Forderungen nur die Fronten verhärten. Wenn der Zeitpunkt des Handover näher rückt, kann man konkretisieren
     
  3. Der Handover endet tatsächlich erst weit nach dem eigentlichen Übergabezeitpunkt. Damit ist gemeint, dass die Übergebenden auch in der Folgestufe in einer Mitwirkungsverantwortung bleiben, die über reines Nachbessern hinausgeht. Sie betreuen sozusagen, während eins zu vereinbarenden Zeitraums, die Nachfolger.

Erfahrene Projektmanager greifen hierfür auch gern auf Moderatoren zurück, die diesen Prozess gestalten, begleiten und zwischen den – nun einmal vorhandenen – Interessen der Übergebendenund der Übernehmenden vermitteln.