(9) Menschen führen

Führung hat nichts zu tun mit Vorgaben, Hierarchien oder Bestimmungen. Führung entsteht keineswegs dadurch, dass die Führungskraft die anstehenden Aufgaben besser lösen kann als die Mitarbeiter. Führung geschieht ausschließlich dadurch, dass Menschen folgen. Einer wirkungsvollen Führungskraft, einem Humanager, gelingt es, dass die Mitarbeiter freiwillig folgen. Dazu muss die Führungskraft die soziosystemischen Erfolgsfaktoren in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und sich mit vier Fragen auseinandersetzen:

 

Die Führungskraft muss Sinn vermitteln. Nicht vorgeben. Nicht ins Unternehmen oder ins Team "reinkommunizieren". Es ist eine Vermittlung zwischen dem, was das Unternehmen oder das Projekt für seinen Erfolg benötigt, also Zielerreichungen, die Erfüllung bestimmter Kennziffern, die Abwehr von Gefahren usw., und dem, was den Mitarbeitern sinnvoll ist. Dazu muss die Führungskraft drei Leistungen erbringen. Zunächst muss herausgearbeitet und möglichst einfach dargestellt werden, was für den Erfolg erforderlich ist. Zweitens muss in Gesprächen erforscht werden, was für die Mitarbeiter sinnvoll ist. Und drittens müssen einleuchtende Zusammenhänge hergestellt werden zwischen Erfolg, Erfordernis und Mitarbeitersinn.  Das ist Sinnvermittlung. Sie wird nicht für jeden einzelnen Mitarbeiter gelingen, sollte es jedoch für die Leistungsträger und eine möglichst große Mehrheit der Mitarbeiter.

Die Führungskraft muss Vertrauen aufbauen. Es muss Vertrauen der Mitarbeiter zur Führungskraft entstehen, durch persönliche Zuverlässigkeit, Integrität und Vorbild. Es muss Vertrauen zwischen den Mitarbeitern entstehen, durch intensive Kommunikation und eine positive Fehlerkultur. Es muss strukturelles Vertrauen erzeugt werden durch klare und nachvollziehbare Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse. All das sind langfristige Entwicklungen, die einem ständigen Monitoring unterliegen sollten.

Die Führungskraft muss Offenheit ermöglichen. Zweifellos ist Vertrauen dafür Grundlage. Außerdem müssen die Informationen frei fließen, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in die und aus der Umgebung des Unternehmens, vom Markt, vom Wettbewerb, aus Wissenschaft und Gesellschaft. Zur Offenheit gehören Karrierechancen ohne Vorbedingungen (außer Leistungwille), Toleranz mit Andersartigkeit und Fremdem, Förderung von Innovationen, Initiierung von Mitarbeitervorschlägen sowie die Unterstützung von Mitarbeiterinitiativen innerhalb und außerhalb des Unternehmens.

Die Führungskraft muss Verantwortung gestalten, indem Aufgabenzuordnung, Verantwortungsübertragung und Kontrolle nicht vorgegeben, sondern mit den Beteiligten diskutiert und danach klar entschieden werden. Fokus liegt auf Prozessverantwortung. Zur Verantwortungsgestaltung gehört die Schaffung von Bedingungen (Kompetenzen, Budgets, Ressourcen ...), damit Verantwortung erfolgreich wahrgenommen werden kann. Verantwortung muss kontinuierlich hinterfragt und bei Erfordernis zeitnah neu verhandelt werden.

Es gibt Talente für Führung. Menschen sind leicht bereit, ihnen zu vertrauen und ihnen zu folgen. Führungstalent ist nicht durch Führungswissen zu ersetzen, sondern kann dadurch ergänzt werden. Die Wirkung eines Führungstalents auf andere Menschen beruht nur zu geringem Teil auf dem Wissen über Methoden und Instrumente, sondern vorrangig auf seiner Fähigkeit, die soziosystemischen Erfolgsfaktoren zur Wirkung zu bringen. Damit ein Führungstalent zur Reife kommt, muss es Wissen und Erfahrung zu Intuition vereinen.