Führung wird immer wichtiger, je unsicherer die Zeiten sind!

Führung ist immer wichtig, keine Frage. In Zeiten wie diesen bekommt sie jedoch noch einmal eine ganz besondere Bedeutung. Als die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Kraft traten, fielen die allermeisten Unternehmen in einen Krisenmodus. Das war die Stunde der Macher! Hier waren klare Ansagen gefragt, schnelle Reaktion auf die Ausnahmesituation und flexible Kommunikation. Nach meinen Beobachtungen wurden diese Herausforderungen in den deutschen Unternehmen überwiegend gut bewältigt, sei es durch die schnelle Anpassung an Hygienevorgaben, Kurzarbeiterregelungen oder durch die Aufrechterhaltung wichtiger Produktionslinien und die provisorische Sicherung von Lieferketten unter erschwerten Bedingungen.

Jetzt erfolgt langsam die Rückkehr in eine – wie ich es nenne – neue Normalität. Den meisten Menschen ist klar, dass die Arbeitswelt nicht mehr so sein wird wie vor der Krise. Allerdings weiß auch niemand, wie diese neue Normalität genau aussehen wird. Es gibt bestenfalls Mutmaßungen darüber, aber wir müssen sie uns im wahrsten Sinne des Wortes erarbeiten. Wir müssen in jedem Unternehmen die neue Normalität des Arbeitens gestalten. 

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass für die Führungskräfte nun ebenfalls wieder normale Verhältnisse eintreten: Listen und Maßnahmenpläne für den Übergang in den Normalbetrieb, die Umsetzung des neu erlassenen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards, dauerhafte Regelungen für Homeoffice, weiterführende Digitalisierungsmaßnahmen, Regelungen für Dienstreisen und vieles mehr. Dann geht es wieder an die Tagesaufgaben, und irgendwann – ein wenig zeitversetzt – werden auch wieder strategische Fragestellungen in Angriff genommen. Alles Führungsroutine!

Aber ganz so einfach ist es nicht. Mitunter kaschiert dieser Aktionismus (der Begriff ist hier positiven Sinne verwendet) lediglich eine große Unsicherheit. Niemand weiß nämlich, wie sich die Wirtschaft in den nächsten Monaten wirklich entwickeln wird. Wie werden sich die Kunden verhalten? Kommen die internationalen Lieferketten wieder ins Funktionieren und wann? Reicht die Finanzdecke? Kommen die Wettbewerber vielleicht schneller wieder in Gang und gewinnen dadurch Marktanteile? Wie werden sich die Märkte überhaupt entwickeln? Und in dieser volatilen Situation voller Zweifel sind Führungskräfte mit Fragen konfrontiert, die viele von ihnen gern verdrängen: 

  • Tue ich das Richtige? Treffe ich die richtigen Entscheidungen? Habe ich die Entwicklung unter Kontrolle?
  • Wie gehe ich mit den Zukunftsängsten und Zweifeln der Mitarbeiter um? Wie kann ich ihnen helfen, dass sie Zuversicht und Mut für engagiertes Arbeiten finden?
  • Wohin mit meinen eigenen Zweifeln und Ängsten, mit denen meiner Familie? Wie gewinne ich die Stärke, um andere zu stärken und zweifelsfrei zu agieren?

Besonders die letzten Fragen werden – so meine Erfahrung – von Führungskräften nur ungern geäußert. Öffentlich ist das sicher auch nicht sonderlich angebracht, denn Führungswirkung entsteht nicht zuletzt dadurch, dass bei den Mitarbeitern der unbedingte Eindruck herrscht, dass die Person an der Spitze, der sie folgen möchten, weiß, wohin die Reise geht und Sicherheit und Gewissheit ausstrahlt. Da fragt sich manche Führungskraft schon hin und wieder „Woher soll ich die bloß nehmen?“. Gerade in den letzten Wochen führe ich in meinen Impulscoachings solche Gespräche, in denen es im Detail um diese Fragen geht. Ich möchte sie hier nicht im Einzelnen ausbreiten, sondern lediglich meine beiden grundsätzlichen Ansätze kurz darlegen:

  1. Kümmere dich um die unmittelbar anstehenden Probleme, arbeite sie nacheinander ab und tue nicht den zweiten Schritt vor dem ersten! Das ist zwar eine Binsenweisheit, die aber in unsicheren Situationen hilfreich ist. Etwas professioneller kann man es „iteratives Vorgehen“ nennen. Einerseits vermittelt uns aktives Handeln das Gefühl, etwas tun zu können, die Situation im Griff zu haben, auch wenn es nicht wirklich so ist. Aber dieses Gefühl allein stärkt uns. Und andererseits bleibt uns ja oft gar nichts anderes übrig, als einfach einmal etwas auszuprobieren, kurzfristig mit trial & error zu agieren und einen gesunden Pragmatismus zu entwickeln, denn langfristige Lösungen sind gerade nicht in Sicht.
  2. Halte Kontakt zu deinen Mitmenschen, Familie, Mitarbeitern, Kollegen aus deinem Netzwerk. Sprich mit ihnen, höre ihnen zu, tauscht euch aus. Das festigt das Gefühl, nicht allein, sondern gut verankert zu sein. Und außerdem entstehen dadurch neue Ideen und Ansatzpunkte für erfolgreiches Handeln.

Beide Ansätze zielen auf eine Stärkung des Gefühls, nicht auf konkrete Maßnahmen zur Lösung einzelner Krisenerscheinungen. Aber genau darum geht es jetzt, denn schließlich sind Zweifel und Ängste auch nur Gefühle. Und denen kommt man nicht mit Daten/Zahlen/Fakten bei, guten Worten oder Appellen. Negative Gefühle kompensiert man durch positive Gefühle. Klar, das sind nicht unbedingt Managers Lieblingsthemen. Aber in meinem inzwischen schon ziemlich langen Leben als Manager, Unternehmer und Berater bin ich durch einige Krisen gegangen und immer wieder auf genau diese Ansätze gestoßen, um Führungskräften in diesen Situationen den Rücken zu stärken.