Missverständnisse überall – und was machen wir damit?

Schauen wir uns mal die zwei grundsätzlich verschiedenen Kategorien von Missverständnissen an. Da gibt es zunächst diejenige, die dem Wesen von Kommunikation entspringt. Verschiedene Kommunikationspartner – fast ausnahmslos sind das zur Zeit ja noch Menschen – können sich überhaupt nicht immer verstehen, denn Verstehen beruht auf der Resonanz des Empfängers auf die Botschaft des Senders. Im Gehirn des Empfängers muss quasi ein Wiedererkennen dessen passieren, was der Sender sagt. Damit wird der Empfänger zum dominierenden Faktor im Kommunikationsgeschehen. Es hängt zum Beispiel von seiner Bildung ab, von weit zurückliegenden Erlebnissen in seiner Kindheit, aber auch von seinem bisherigen Erleben mit der Person des Senders oder von seiner gegenwärtigen Stimmung, ob er versteht und was er versteht und wie er das Verstandene bewertet. Ganz schön unberechenbar! All das führt zu einer bestimmten Reaktion des Empfängers, die er wiederum als Botschaft an sein Gegenüber zurückspielt. Und natürlich wird sein Gegenüber – jetzt als Empfänger – nur verstehen, wenn es bei ihm Resonanz gibt. Nach und nach kann dann die Kommunikation ganz schön aus der Kontrolle laufen. Das Verstehen zwischen Menschen ist ziemlich zufallsbehaftet, Missverständnisse sind Normalität! Schade eigentlich, denn so lässt sich unser Wunsch nach „Menschen sollen sich verstehen“ nur schwer erfüllen. 

Die zweite Kategorie sind die interessengetriebenen Missverständnisse. Ein bisschen extrem ausgedrückt heißt das, dass Menschen sich nicht verstehen, weil sie nun mal mit ihrer Kommunikation unterschiedliche Interessen artikulieren und verschiedene Ziele anstreben. Jeder versucht sein Gegenüber mittels Kommunikation so zu manipulieren, wie es seinen eigenen Interessen entspricht. Und für den wiederum ist es möglicherweise nachteilig, zu viel Verständnis für die Position des Anderen aufzubringen. Er wird ausweichen, die Aussagen in seine eigene Richtung interpretieren oder in seinen Reaktionen unscharf sein. Es entstehen „taktische Missverständnisse“. Das alles läuft meist ganz automatisch, verdeckt und unbewusst. In solchen Kommunikationssituationen wird nicht lange überlegt – ein Wort gibt das andere und am Ende bleibt das Verstehen auf der Strecke. 

Also bleibt unser Wunsch nach „Menschen sollen sich verstehen“ unerfüllbar? Eigentlich schade, aber was sollen wir machen, wenn Kommunikation immer wieder, und zwar sozusagen gesetzmäßig und unvermeidbar, Missverständnisse produziert!

Was da Verbeserungen schafft ist "Nähe". Das klingt vielleicht für den Einen oder Anderen jetzt erst einmal komisch (missverständlich), aber mit Nähe meine ich, mein Gegenüber besser zu verstehen, besser zu kennen. Je mehr wir über ihn oder sie wissen, desto „passgenauer“ können wir unsere Botschaft zuschneiden und nuancieren. Wenn ich möchte, dass mein Gesprächspartner mich versteht, muss ich ihn möglichst gut kennen. Ich kann dann meine Aussagen mit Beispielen unterfüttern, um dadurch die Wahrscheinlichkeit ihrer Erkennbarkeit in der Erlebenswelt meines Gegenübers zu erhöhen. Ich kann meine Botschaften in kleinere Häppchen teilen und durch Zwischenfragen den Pfad zum Verstehen sicherer machen. Wenn ich meinen Verhandlungspartner besser kenne, werde ich auch seine Interessen und Absichten besser durchschauen. Ich kann dann die taktischen Missverständnisse besser einordnen, leichter Strategien für Lösungen und Kompromisse entwickeln.

Nähe führt zwar nicht zu einer Verstehensgarantie, aber allemal zu einer besseren Verstehensquote. Also sollten wir versuchen, möglichst viel über unsere Gesprächspartner zu erfahren, viele Fragen stellen, zuhören, uns dafür interessieren, wie er oder sie denkt und fühlt. Dann werden wir uns besser verstehen.