Partizipatives Führen heißt nicht, dass alle bestimmen dürfen

Bedeutet partizipative Führung tatsächlich, dass jeder Einzelne mitbestimmt? Was passiert dann mit entgegenstehenden Meinungen und konträren Entscheidungsvorschlägen? Wer entscheidet und kann man noch von Beteiligung (oder Demokratie) sprechen, wenn die unterliegende Entscheidungsvariante eben nicht zum Zuge kommt? Sind deren Vertreter dann nicht zu Recht frustriert? Soll man, um solche Verlierer zu vermeiden, solange diskutieren, bis Konsens herrscht oder soll man Mehrheitsentscheidungen herbeiführen?

Im Unternehmensalltag werden diese Themen in der Regel nicht offen diskutiert, häufig als „zu philosophisch“ abgetan. Die Quittung bekommt man dann einige Zeit später, weil viele Mitarbeiter darüber frustriert sind, zwar gefragt werden mitzuentscheiden, dann aber bei der Entscheidung selbst außen vor gelassen zu sein. Sie glauben, wenn sie das Wort von der partizipativen Führung hören, dass sie tatsächlich auch entscheiden sollen. Das ist ein Irrtum, aber in diesem Irrtum werden sie gelassen, weil nicht grundsätzlich über Entscheidungsprinzipien und Entscheidungsmuster informiert und diskutiert wird, also diese angeblich „philosophische“ Diskussion nicht geführt wird. Im Irrtum gelassen, entsteht Frustration.

Schauen wir uns das Prinzip des partizipativen Führens mal etwas genauer an. Zunächst gilt ganz grundsätzlich: Entscheidung ist nicht die Sache aller, sondern die der verantwortlichen Personen. Die Verantwortung für einen Prozess oder für einen Bereich oder für ein Budget ist in Unternehmen festgelegt oder sollte es zumindest sein. Dafür gibt es Hierarchien, Positionen, Funktionen, Stellenpläne und Stellenbeschreibungen. (Liegen dort Mängel vor, dann kommt es nicht nur beim Entscheiden zu Problemen, sondern das Unternehmen funktioniert als Ganzes nicht reibungslos.)

Es ist also klar: Die Entscheidung trifft der oder die Verantwortliche! 

Partizipation bedeutet nun, die Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung, also in die Sammlung von Fakten, die Entwicklung von Szenarien usw. – alles Dinge, die vor der eigentlichen Entscheidung liegen – einzubeziehen, nicht die Entscheidung durch sie treffen zu lassen. Es bedeutet auch nicht, dass alle mit der Entscheidung einverstanden sein müssen. Das würde zwar vieles einfacher machen, ist aber nicht Bedingung. Im Gegenteil, Entscheidung ist ja genau erst dann nötig, wenn nicht alle einer Meinung sind.

Partizipation (und in gewisser Weise auch Demokratie) besteht darin, dass die Betroffenen an der Entstehung der Entscheidung mitwirken und dadurch die danach zu treffende Entscheidung beeinflussen. Insofern partizipieren sie, aber daraus leitet sich nicht der Anspruch ab, die Entscheidung zu bestimmen. Enttäuschung über anders als gehofft getroffene Entscheidungen lassen sich durch gute Kommunikation der Entscheidungsgründe mindern. Allerdings stößt man hier manchmal durchaus auf Einsichtsgrenzen. Damit allerdings muss eine Führungskraft leben. Das kann sie auch, wenn sie die Einbeziehung in die Entscheidungsfindung und das Kommunizieren der Entscheidungsgründe ordentlich abgewickelt hat.

Idealerweise wird ja überhaupt keine Entscheidung expressis verbis nötig, wenn im Verlaufe der Entscheidungsfindung die Vorzugsoption für alle eindeutig sichtbar wird – Methode „Nichtentscheiden“. Darüber hatte ich ja schon hier in diesem Blog geschrieben: Link.