Projektmanagement kann jeder?

Im Herbst letzten Jahres sprach mich der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens an, einmal einen Blick auf die Organisation eines Projekts zu werfen, das eben gestartet war. Es handelte sich um eine Produktionserweiterung mit Baumaßnahmen, dem Aufbau neuer Anlagen sowie deren Test und Inbetriebnahme nach vorgegebenen Prozeduren mit exakter Nachweisführung. Dazu kamen noch die parallele Neuentwicklung von zwei Produkten, deren Umsetzung in den großtechnischen Maßstab bis zur Produktionsaufnahme auf den neuen Anlagen mit allem was dazu gehört, von der Rohstoffprüfung bis zum Aufbau des Qualitätssicherungssystems. Also ein ziemlich komplexes Unterfangen, abhängig von zahlreichen Lieferanten und von großer Bedeutung für das Unternehmen.

Wir schauten uns also die Projektunterlagen an, Pläne, Spezifikationen und Verträge, redeten mit dem Projektleiter und vielen Mitarbeitern, die neben ihrem Tagesgeschäft in die Projektrealisierung eingebunden waren. Das heißt, sie sollten eingebunden sein, hatten auch schon davon gehört, aber weder war die sachliche Einweisung erfolgt noch waren Ressourcenfragen geklärt. Bei genauerem Hinsehen stellten wir fest, dass viele strukturelle Fragen zum Projekt offen waren, zum Beispiel die Aufgabenabgrenzung zwischen einzelnen Teilaufgaben. Außerdem war die Planung lückenhaft und zwischen Teilaufgaben war häufig die Koordination ungenau. Und - was das Schlimmste war - es hatte zwar bereits viele Meetings gegeben, denen aber keine Taten folgten. Das Projekt war also schon im Verzug, ohne dass dies explizit sichtbar war, denn schließlich waren zum damaligen Zeitpunkt noch keine Milestones im Verzug. Die waren ja schließlich auch erst viel später terminiert.

Im Abschlussgespräch machten wir auf all diese Beobachtungen aufmerksam, besonders darauf, dass der Start einzelner wichtiger Aktivitäten noch nicht erfolgt war. Projektleiter und Geschäftsführer nahmen das alles mit überlegenem Lächeln zur Kenntnis. Ich kenne diese Art Lächeln schon, schließlich bin ich lange genug im Geschäft. Es heißt "Da wollen sich die Berater mit ihren Cassandra -Rufen wieder Aufträge verschaffen". Offiziell hieß es "Vielen Dank, sehr wertvoll, wir kriegen das hin".

Vor zwei Wochen rief der Geschäftsführer wieder an, was ich ihm wirklich hoch anrechne. Nicht jeder hätte sich zu diesem Schritt durchgerungen und eingestanden, dass er sich damals geirrt hat. Allerdings ging er bei mir auch das Risiko des "Hab ich doch gleich gesagt" nicht ein, denn ich hätte vor einigen Jahren selbst noch geglaubt, dass mit den Methoden des Projektmanagements die Aufgabe lösbar wäre. Heute sehe ich das etwas anders. Projektmanagement, wie es in der DIN und einschlägigen Fachbüchern beschrieben ist und in diversen Ausbildungen zertifiziert vermittelt wird, funktioniert nämlich nur unter - wie ich es nenne - linearen Bedingungen. Das heißt, solange keine Engpässe entstehen, folgt die Wirklichkeit der Projektabarbeitung dem Plan. Das gibt es aber nur in der Theorie, wie jeder einigermaßen erfahrene Projektleiter weiß. In der Wirklichkeit läuft ständig etwas anders als geplant. Besonders dann, wenn das Projekt oder Teile von ihm in Engpässe geraten. Meist kommen diese Engpässe von unrealistischen Planungen, unzuverlässigen Zulieferern, nicht verfügbaren Ressourcen und - zu kleinerem Anteil - von ungelösten Sachproblemen.

Was ist nun das bestimmende Merkmal solcher Engpässe? Gibt es eine Gemeinsamkeit, an der man ansetzen könnte, sie zu beherrschen? In allen wächst die Komplexität, das heißt die Unwägbarkeiten werden höher, der Zufallsanteil steigt und die Steuerbarkeit sinkt. Mit einfachen Worten: Murphy wird allgegenwärtig!

Um derartige Situationen zu meistern, benötigen wir methodische Ansätze, die ihre Wurzeln außerhalb der linearen Betrachtungsweisen haben. Sie müssen stattdessen dem systemischen Charakter der Projekte Rechnung tragen. Mit anderen Worten: Es braucht eine neue Qualität von Projektmanagement.

Humanagement hat in den zurückliegenden Jahren einen solch neuen Ansatz entwickelt und wendet ihn bei vielen Projekten an, wenn sie in Not geraten sind.

Engpassorientiertes Projektmanagement

Mehr Informationen zu Engpassorientiertem Projektmanagement finden Sie unter diesem Link.

Bei dem vorn beschriebenen Projekt wird es übrigens genauso weitergehen. Wir gehen jetzt rein ins Projekt, werden die Planung umstellen, sehr eng monitorieren und Kommunikationsprozesse in Gang setzen, mit denen die festgefahrenen Aktivitäten wieder in Schwung kommen. Seit Jahren machen wir kein normales Projektmanagement mehr, sondern kommen immer dann zum Einsatz, wenn die normalen Methoden am Ende sind. Manchmal fühlen wir uns dabei tatsächlich wie eine "schnelle Eingreiftruppe".