Rückschau und Vorschau sind nicht so ganz leicht.

Um den Jahreswechsel nehmen viele Menschen und auch Unternehmen Gelegenheit für zwei Blickrichtungen. Der eine Blick geht in die Vergangenheit und versucht ein Resümee über das vergangene Jahr. Der andere geht nach vorn, in die Zukunft und dient der Zielbestimmung für das kommende Jahr. So verständlich die Motivation und vielleicht auch die Notwendigkeit für beides ist, so problematisch erweist es sich bei näherem Hinsehen, dies auch wirklich erfolgreich zu tun.

Beim Blick zurück wird meist nur auf die Dinge geschaut, die nicht weh tun. Besonders die um die Jahreswende hereinwehende Feierlichkeit führt dazu, dass zwar die Frage „was ist gut gelaufen?“ gerne, ausführlich und schulterklopfend beantwortet wird. Allerdings tut man sich oft mit dem notwendigen zweiten Teil dieser Frage, nämlich „warum lief es eigentlich gut“, schwerer. Dabei würde allein aus der Beantwortung dieser Frage ein Lerneffekt entstehen. Ganz oft gelangt man allerdings zu der Feststellung, dass man die Gründe für Erfolg gar nicht so genau kennt. Sollten Sie, lieber Leser, jetzt daran zweifeln, dann probieren Sie das ruhig mal aus. Ich wette, dass mindestens 50% dabei offenbleiben. Und genau an dieser Stelle könnte man dann feststellen, dass man einfach Glück gehabt hat – und dankbar sein.

Noch viel schwerer tun wir uns allerdings mit der Frage „was ist schlecht gelaufen, schief gegangen?“ Da fällt uns mitunter auf Anhieb gar nichts ein. Das hängt einerseits bestimmt auch mit dem Jahreswechsel und der schon angesprochenen Feierlichkeit zusammen, andererseits neigen wir ja ganz grundsätzlich dazu, mit zunehmendem zeitlichem Abstand die schlechten Dinge zu vergessen und die guten zu erinnern. Und mit dieser Verschiebung gehen wir uns selbst in die Falle, weil wir nämlich tief in unserem Inneren felsenfest davon überzeugt sind, dass Fehler und Misserfolge schlecht sind. Deshalb gelingt es uns eben auch nur schwer, das ganze Jahr über zu einer produktiven Fehlerkultur nach dem leichtzüngigen Motto „Fehler sind Chancen“ zu kommen. Ganz besonders um den Jahreswechsel zählen wir lieber das Positive auf, anstatt aus den verlorenen Schlachten zu lernen.

Wenn wir uns allerdings tatsächlich der Misserfolge erinnern, wird häufig die Frage nach dem Warum nicht ganz ehrlich beantwortet. Es gibt die Neigung, die Gründe außerhalb unserer eigenen Verantwortung zu verorten. „Pech gehabt, die anderen sind schuld“. Und das ist wieder eine verpasste Lernchance. 

Aber warum soll man dauernd in der Vergangenheit wühlen? Lasst uns doch, besonders zum Jahreswechsel, lieber nach vorn schauen, optimistisch in die Zukunft. Pläne machen fürs neue Jahr – im Unternehmen nennt man das Strategieworkshop oder so ähnlich. Das ist allerdings leichter gedacht als professionell getan. Meist denkt man dabei nämlich lediglich die Vergangenheit weiter, verlängert sie linear in die Zukunft. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden, denn Kontinuität ist Grundlage stetiger und erfolgreicher Entwicklung. Ich empfehle immer, ungefähr 80% der Themen auf diese Weise in die Zukunft fortzuschreiben. Aber die restlichen 20% müssen neu gedacht werden. Wirklich neu! „Disruptiv“ ist das neue Modewort.

Am Anfang der Disruption steht die Zerstörung des Alten. Das fällt oft schon schwer genug. Aber der zweite Schritt fällt noch schwerer, nämlich an dessen Stelle etwas wirklich Neues zu stellen. Das gelingt einem Unternehmen, einer Führungscrew, einem Team kaum aus sich selbst heraus. Dazu braucht es Impulse von außen, Erschütterungen, Anregungen, Wagemut. 

Wenn Sie, lieber Leser, also für sich persönlich oder für Ihr berufliches Umfeld etwas Besinnliches für die Weihnachtszeit planen, dann können Sie ja neben Weihrauch und Kerzenschein tatsächlich mal versuchen, die drei Fragen zu beantworten:

  • Was lief im letzten Jahr gut und warum?
  • Was lief im letzten Jahr schlecht und warum?
  • Was will ich/wollen wir im nächsten Jahr mal grundsätzlich anders versuchen?

Die Antworten schreiben Sie fein säuberlich auf und kramen den Zettel nach vier Wochen wieder hervor. Dann kommt nämlich die wichtigste aller Fragen:

Was ist konkret zu tun?

Wenn Sie diese Frage beantworten und dann danach handeln, hatten Sie einen produktiven Jahreswechsel. Den wünsche ich Ihnen – und möge er außerdem angenehm sein.