Unternehmenskultur

transformare bedeutet umformen, verwandeln. Das kann zunächst einmal alles und nichts heißen. Demzufolge wird der Begriff äußerst vielfältig gebraucht. Im Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft beobachten wir eine beginnende Beliebigkeit bei seiner Verwendung. Das passiert deshalb, weil direkte Aktivitäten, zum Beispiel die Einführung einer neuen Software oder die Umstellung auf bargeldloses Bezahlen als Transformation bezeichnet wird. Das, was dort im „Vordergrund“ abläuft ist aber nicht die Transformation, sondern eben die Einführung der neuen Software oder von Bezahl-Apps fürs Smartphone – mehr oder weniger technische und organisatorische Aktivitäten. Die Transformation, falls bei diesen beiden Beispielen überhaupt eine stattfindet, läuft dagegen im Hintergrund ab. Sie ändert Verhalten, Gewohnheiten, Denken, Werte, Strukturen, Sinnvorstellungen, Ziele, Geschäftsmodelle, Kräfteverhältnisse zwischen Akteuren und viele andere, sehr grundlegende und weitreichende Punkte. Und in der Coronakrise lassen sich viele solcher Prozesse beobachten.

Kaum jemand macht sich die Mühe, die Leitbilder, Mission Statements, Visionen oder Selbstverständnisse von Unternehmen zu lesen. Wozu auch? Die lesen sich ja (fast) alle gleich. Ganz schlimm wird es, wenn darin ein Wohlverhalten formuliert wird, welches entweder selbstverständlich ist (wir halten uns an Gesetze, kümmern uns um unsere Kunden und Mitarbeiter ...) oder unverbindlich (wir wollen die Besten sein, ganzheitlich-ökologisch ...). 

Es geht aber auch anders, indem Unternehmen den Sinn ihres Daseins ergründen und ihn beschreiben. Darin unterscheiden sie sich dann mitunter erheblich. Das ist spannend, auch weil es nicht nur irgendwo abgeschrieben wird, sondern hart erarbeitet ist. 

Detailversessenheit bringt nichts, wir müssen das große Ganze in den Blick nehmen. Indem wir uns von der Betrachtung einzelner Ereignisse lösen und die Welt unseres Unternehmens und der Dinge darin als „Feld“ verstehen, in dem alles miteinander verknüpft und in gegenseitigen Abhängigkeiten geschieht, nähern wir uns der Wirklichkeit komplexer Systeme an.

Um den Jahreswechsel nehmen viele Menschen und auch Unternehmen Gelegenheit für zwei Blickrichtungen. Der eine Blick geht in die Vergangenheit und versucht ein Resümee über das vergangene Jahr. Der andere geht nach vorn, in die Zukunft und dient der Zielbestimmung für das kommende Jahr. So verständlich die Motivation und vielleicht auch die Notwendigkeit für beides ist, so problematisch erweist es sich bei näherem Hinsehen, dies auch wirklich erfolgreich zu tun.

Reisen bildet. Damit meine ich nicht nur das Sammeln von Informationen und Eindrücken von anderen Ländern und Kulturen, sondern vor allem deren Inbezugsetzung zum eigenen beruflichen (oder auch privaten) Alltag. Man könnte es auch Lernen nennen. Langjährige Leser meiner Infobriefe, White Paper und meines Blogs werden sich erinnern, dass ich bereits bei meinen Reisen in Sri Lanka einiges von dem dort Erlebten in meine Sicht auf die Business-Welt integrieren konnte.

Diesmal also Thailand. Ich bin auf eine mögliche Antwort darauf gestoßen, warum die Thais so einen überragenden Service machen. Und habe überlegt, was davon in unseren Unternehmen gut wäre.

Alle wissen es: Menschen erreicht man nur über „Geschichten“. Zahlen/Daten/Fakten sind wie furztrockenes Brot. Man würgt sie nur schwer hinunter. Aber wenn man sie anreichert, mit Bildern, Erlebnissen, schlimmen oder lustigen Begebenheiten – „Geschichten“ eben – dann gehen sie runter wie Öl und bleiben hängen.

Warum findet man dann in vielen Unternehmen einen Informationsalltag vor, der von Z/D/F dominiert wird? Warum wird immer wieder versucht, Menschen mit Z/D/F zu erreichen, zu motivieren, von der eigenen Firma, von Aufgaben, von Projekten zu begeistern? 

Die Antwort liegt ziemlich auf der Hand: Es ist nicht so einfach, gute Geschichten zu finden und sie fesselnd zu erzählen. Dazu heute ein paar Hinweise aus meiner langen Praxis als Geschichtensammler und Geschichtenschreiber.

Egal, ob im persönlichen oder beruflichen Umfeld: Menschen gehen Risiken ein. Sie gehen Beziehungen ein, machen Geschäfte, probieren neue Lösungen und wagen sich in unbekanntes Terrain. In all diesen Fällen ist der Ausgang ungewiss, mehr oder weniger. Aber immer gibt es das Risiko des Scheiterns. Unternehmer, Unternehmen und Führungskräfte müssen mehr und höhere Risiken eingehen, wenn sie Spitzenleistungen erreichen wollen, zumal, wenn sie sich in volatilen Märkten bewegen. Deshalb stellen sich zwei besondere Fragen: 

  • Wie kann man Menschen ermutigen, Risiken einzugehen?
  • Wie kann man mit Risiken produktiv umgehen?

Wie findet man bei den vielen Menschen, die im Arbeitsprozess nicht intrinsisch motiviert sind, den Knopf, bei dessen Betätigung sie aus ihrer Routine, bisweilen aus ihrer Frustration, erwachen und Ideen und Initiative entwickeln. Realistischerweise muss man sagen, dass diese Fragestellung auf 60 bis 80 Prozent aller Beschäftigten zutrifft. In kleinen Unternehmen liegen wir dabei eher an der Untergrenze (manchmal tatsächlich sogar darunter), in Großunternehmen an der Obergrenze. Es betrifft also tatsächlich eine Vielzahl der Mitarbeiter, vor allem der unteren Hierarchieebenen und ist – positiv ausgedrückt – ein riesiges Potenzial.

In der vergangenen Woche hatte ich Gelegenheit, in Japan ein sogenanntes Satellite Office zu besuchen. Dabei handelt es sich um Außenstellen großer Unternehmen außerhalb der Ballungszentren in Gegenden mit hohem Freizeitwert, die diese aus mehreren Gründen einrichten:

Dr. Stefan Fourier in Ideen-Tipps-Trends

Gestern war ich bei der Üstra. Wem das nichts sagt - das sind die Hannoverschen Verkehrsbetriebe. Busse, Straßenbahnen. Nicht aufregend, um nicht zu sagen "langweilig". Da muss man sich nicht wundern, dass dieses kommunale Unternehmen in der Vergangenheit Schwierigkeiten hatte, jungen Nachwuchs zu bekommen. Immerhin brauchen sie in den nächsten Jahren ungefähr tausend neue Leute. Und nicht nur einfach Fahrer, sondern gewünscht sind Fahrer mit Sinn und Gefühl für die Fahrgäste. Im HR-Fachjargon heißt das "Mitarbeiter mit Kunden- und Serviceorientierung". Aber warum sollten die Hannoveraner ausgerechnet zur Üstra gehen? Langweilig, angestaubt.

Und dann, vor etwa zwei Jahren, hatten ein paar Leute im Unternehmen eine Idee!

Kürzlich bat mich der Geschäftsführer eines süddeutschen Unternehmens um meine Einschätzung zu einem Vorschlag seines Personalleiters. Dieser hatte festgestellt, dass die Mitarbeiter nicht genügend mit dem Unternehmen identifiziert seien und zur Behebung dieses Defizits ein kennzifferngebundenes Prämiensystem entwickelt. Der besondere Clou daran war, dass man den Mitarbeitern bei Erreichen bestimmter, im Einzelnen noch zu definierender Ziele nicht einfach nur Geld in die Hand drücken wollte, sondern kleine Goldbarren.

Dr. Stefan Fourier in Ideen-Tipps-Trends

In komplexen Systemen passieren Dinge, die eigentlich nicht passieren können. Dazu gehört, dass in einem Konzern wie VW plötzlich Manipulationen bei den Abgasmessungen vorgenommen werden. Nicht als Kurzschlusshandlung eines Einzelnen, sondern als konzertierte Aktion eines Teils des Managements. Eigentlich ist das bei VW nicht möglich, denn dort gibt es hohe ethische Standards, eine entwickelte Compliance-Kultur, Kontrollmechanismen zuhauf. Ich kenne das alles aus eigener Anschauung und finde VW darin vorbildlich, auch jetzt noch.

Kürzlich berichtete mir eine junge Dame ganz stolz, dass sie jetzt auch Change Management anbietet. Auf mein interessiertes Nachfragen stellte sich heraus, dass sie Menschen bei der Veränderung ihrer Ernährungsgewohnheiten hilft. Das ist ja nun sicher sehr ehrenwert und vermutlich hilft es den Betroffenen, aber mit Change Management hat es in etwa so viel zu tun, wie ein Trittroller mit einem S-Klasse-Mercedes.

Ich habe das Thema mit der jungen Dame nicht weiter vertieft, denn ich wollte ihren Enthusiasmus, getragen von einer großen Portion Sendungsbewusstsein, nicht bremsen. Trotzdem geht mir die Geschichte nicht aus dem Kopf, weil sie symptomatisch ist für das, was seit einigen Jahren, und besonders in der letzten Zeit, mit dem Begriff Change Management passiert. Er wird derartig inflationär benutzt, dass er sich in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr von seinem eigentlichen Inhalt entfernt und völlig verflacht. Jeder macht damit, was er will, missbraucht ihn mitunter sogar.

Schneider zog sacht die Haustür hinter sich zu. Er sog die kalte Schneeluft ein und blinzelte gegen das Licht der Straßenlaterne in den leichten Flockenfall. Würde ein schöner Abendspaziergang werden. Er machte das seit einigen Jahren immer am zweiten Weihnachtstag. Die klare Luft und die Ruhe ließen die Gedanken zurückgleiten ins vergangene Jahr. Zum Jahresanfang hatte er den Vorstandsvorsitz übernommen. Und dann waren ereignisreiche Monate gekommen. Obwohl die Branche unter den Auswirkungen der aktuellen Krise litt, ja sogar die ganze Wirtschaft in Nöten war, konnten sie expandieren. Das Geschäft in Asien weitete sich aus, selbst im US-Markt und in Europa konnten sie dank ihres neuen Geschäftsmodells zulegen. Durch den Zusammenbruch zweier Wettbewerber entstanden beträchtliche Freiräume, in die sie beherzt hineinstießen. Was war das für ein Erfolg in seinem ersten Jahr. Sie verdienten klotzig Geld, übernahmen erstklassiges Personal von den unglücklicheren Wettbewerbern und gewannen neue Kunden. Die Presse jubelte, Neider nannten sie „Krisengewinnler“.

Kohärenz im Unternehmensfeld und der Segen der Ungenauigkeit

Zweifellos findet in Unternehmen Kommunikation statt, genauso wie andere Formen von Wechselwirkung. Beispielsweise werden Werkstücke bearbeitet und im Fertigungsprozess weitergereicht, auch das ist Wechselwirkung. Durch diese Wechselwirkungen – Luhmann spricht in seiner Theorie der sozialen Systeme von Operationen – erhält das System Unternehmen seinen Sinn. Und wie dieser stoffliche Austausch zwischen Systemelementen schafft auch der Austausch von Informationen, genannt Kommunikation, überhaupt erst das System.  Zwischen Einzelteilen, die nicht miteinander interagieren, ob nun durch Stoffaustausch oder Informationsaustausch, besteht nun mal keine Beziehung.[1] Also bilden sie auch kein System, sondern existieren irgendwie losgelöst voneinander. Der Sinn von Kommunikation besteht also darin – zumindest wenn man sich der Frage aus systemtheoretischer Sicht nähert – das System Unternehmen als solches überhaupt erst zu manifestieren. Ohne Kommunikation kein System.

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