Veränderungen in Unternehmen mit KVP

Unternehmen müssen sich ständig verändern. Mit den Unternehmen müssen sich die Prozesse, die Arbeitsweisen, die Gewohnheiten und – oh ja – die Mitarbeiter verändern. Das erfreut sich nicht immer größter Popularität. Es entsteht immer wieder der Eindruck, dass Veränderung auf Widerstand trifft. Sowohl bei vielen Themen, als auch bei vielen Mitarbeitern. Das betrifft eindeutig auch die Führungsebenen!

Veränderungen in einem Unternehmen sind kein kleinschrittiger Prozess, in dem die eine Seite (Unternehmen) der anderen Seite (Mitarbeiter) Ideen gegen Geld abkauft. Vielmehr ist wirkliche Veränderung in einem Unternehmen die Annahme einer anderen Kultur der Zusammenarbeit, ein verändertes Verhalten im Miteinander und ein Führungsstil, der bei allen Beteiligten von Vertrauen geprägt ist. Diese Form von Veränderung ist die Grundlage für mehr Motivation, eine höhere Produktivität und mehr Leistung.

Soweit gehen die meisten Ansätze von Veränderung heute aber noch nicht. Es gibt vielmehr seit einiger Zeit verschiedene Instrumente, Methoden, Philosophien, und, und, und, die sich mit dem Thema „Veränderung in Unternehmen“ aktiv und strategisch auseinandersetzen. Es werden Methoden (bzw. Instrumente) vorgestellt, die Veränderungen in Unternehmen positiv beeinflussen sollen. Einige der Ansätze funktionieren besser, andere weniger gut. Es ist ein insgesamt sehr breites Feld, weil Veränderungsfähigkeit in Unternehmen als Notwendigkeit nur so langsam eine gewisse Akzeptanz erfährt.

KVP ist so ein bisschen der König unter den Veränderungs-Methoden. KVP steht für „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ und ist eigentlich gar keine neue Methode im Zusammenhang mit betrieblichen Prozessveränderungen. KVP wird heute in den Unternehmen gemacht, um die Produktivität kontinuierlich zu steigern. In den frühen 1990er Jahren wurde KVP in den Unternehmen der Automobilindustrie eingeführt. Das war damals quasi ein erster Schwung zu der Thematik. Es wurde in einigen Automobilunternehmen im Rahmen der Einführung von Gruppenarbeit stark gepusht und zeigte bereits damals erste Erfolge. Und erste Misserfolge!

Interessanterweise gab es zu diesem Zeitpunkt nur bedingt einen Fokus auf KVP als Rationalisierungsinstrument. Vielmehr gab es in der Soziologie einen spannenden anderen Blick auf das Thema: „Primär geht es dem Management um eine - zumindest in größeren Industriebetrieben neuartige – Kombination von erweitertem Zugriff auf das Arbeitsvermögen und direkter Beschäftigtenpartizipation mit unternehmenszielbezogener Rationalisierung. Anders als im klassischen Taylorismus vorgesehen, sollen die Arbeitenden selbst zu aktiven Trägern kleinschrittiger, aber kontinuierlicher Verbesserungen der Arbeitsabläufe werden. Angestrebt wird Optimierung und Rationalisierung in - begrenzter - Eigenregie“(Fußnote1)

Dörre u.a. sprechen in ihrem Aufsatz über den „New Deal“ im Betrieb. Also um den Tausch von unternehmerischem Zugriff auf Produktionsintelligenz gegen einen Zuwachs an Produzentensouveränität und verbesserte Arbeitsbedingungen. Leider hat sich die Tragweite dieser Überlegungen nicht wirklich durchgesetzt. In den meisten Fällen wird KVP eingeführt, weil man sich damit die Unterstützung der Produktionsmitarbeiter bei der Verbesserung der Prozesse erhofft. Kommt das nicht in ausreichendem Maße zustande, wird ein Experten-KVP eingeführt.

Leider vergeben sich die Führungskräfte bei diesem Thema eine Menge an Potenzial. Eine Anreicherung der ingenieurswissenschaftlichen Sicht auf die Tools des KVP um industriesoziologische Erkenntnisse über das Verhalten von Menschen würde allen Beteiligten einen Gewinn bringen. Das würde aber bedeuten, dass die Mitarbeiter und ihr Potenzial wirklich ernst genommen und ihnen Freiräume zur Mitgestaltung eröffnet werden. Sie müssen Zeit bekommen, die ihnen übertragene Verantwortung anzunehmen und umzusetzen. Damit ist man auch wieder bei den oben vorgestellten Veränderungen bei der Kultur, dem Verhalten und dem Führungsstil.

Die Einführung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses KVP ist ein pflegebedürftiger Prozess, der von Führungskräften, Mitarbeitern und letztlich auch Betriebsräten Engagement, Vertrauen und Zeit fordert. Es reicht nicht, wenn der KVP vom Management angewiesen wird, ein paar Workshops durchgeführt werden und die Mitarbeiter dann bereits zu engagierten KVP-Akteuren werden sollen. Ein sparsames Vorgehen bei der Einführung kommt Unternehmen langfristig teuer zu stehen, weil sie Potenziale nicht nutzen.

Die Implementierung einer Kultur von Veränderung ist ein längerfristiges Projekt. Für einen Bereich mit 250 Mitarbeitern sollte das Management ein Jahr (!) Einführung bis zur Reife des Prozesses einkalkulieren. Das hört sich natürlich nach sehr viel Zeit an. Wenn man aber den Ausführungen der Soziologen um Klaus Dörre folgt, dann geht es hier um einen Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit zwischen Produktionsmitarbeitern und Management. Beim KVP sollen die Mitarbeiter dem Unternehmen das zur Verfügung stellen, was ihr intimstes und am besten gehütetes Geheimnis über ihre Erfahrung zur optimalen und effizientesten Art der Erfüllung ihrer Arbeit ist. Aufgepasst: das war der wahrscheinlich wichtigste Satz in dem Artikel!

Führungskräfte müssen die Sensibilität dafür an den Tag legen, dass sie ihren Mitarbeitern etwas ganz Großes abverlangen, nämlich ihr Produzentenwissen. Leider wird das oft als trivial angesehen und überhaupt nicht ernst genommen. Das Management glaubt ernsthaft, Mitarbeiter geben ihre Ideen einfach so oder gegen geringes Entgelt preis. Das ist völlig falsch. Die Mitarbeiter wollen beim KVP mitgenommen werden und zwar nicht erst durch Nachfrage, sondern proaktiv und freiwillig!

Es geht nicht darum, durch einen einmaligen und hochformalisierten Akt der Weitergabe einer besonders guten Idee im Rahmen eines betrieblichen Vorschlagswesen wohlkalkuliert einen Know-how-Vorsprung zu verkaufen. Es geht beim KVP darum, ohne einen direkt messbaren Benefit, Erfahrungswissen für das Unternehmen nutzbar zu machen. Deswegen ist es im ersten Schritt sehr wichtig, dass die Führungskräfte in Workshops den Mitarbeitern die Notwendigkeit von KVP vermitteln und eine klare Erwartungshaltung formulieren. Es muss aber genauso klar vermittelt werden, was der Nutzen für die Mitarbeiter ist!

Die Einführung von KVP muss als Projekt definiert werden. Das Projekt sollte über einen Zeitraum von 6-9 Monaten von der verantwortlichen Führungskraft begleitet werden. Das bedeutet, dass die Führungskraft an den KVP-Workshops und an Seminaren über KVP persönlich teilnimmt. Die Verantwortung für KVP lässt sich in der Implementierungsphase nicht delegieren! Erst wenn die Rollen für den KVP geklärt sind, kann sich die Führungskraft aus der engen Begleitung herausziehen und auf mehr Distanz gehen. Dann übernehmen geschulte Moderatoren aus der Gruppe den Staffelstab und der Prozess kann zum Selbstläufer werden.

Der Nutzen von KVP hängt von der Qualität der Implementierung ab. Das ist an und für sich nicht ungewöhnlich, wenn etwas Neues eingeführt wird. Aber KVP bildet an dieser Stelle eine Besonderheit. Man weiß nie, was man beim KVP von den Mitarbeitern nicht (!) erhalten hat. Man kann die geäußerten Ideen zählen und die Verbesserung der Produktivität messen. Aber niemand weiß, was man bei einer noch intensiveren Einführung, Begleitung oder Unterstützung der Pro-zesse noch hätte erreichen können. Das ist und bleibt in den Köpfen der Mitarbeiter verborgen.

Die typischen Probleme beim KVP sind die kurzfristig hohe Erwartungshaltung, die schnelle Unzufriedenheit, der Frust und das Verwerfen der Methode, die angeblich nicht den Erfolg bringt. Dann wird schnell die nächste Methode aus dem Hut gezaubert und es beginnt von vorn. Es gibt leider Hunderte von eingestampften Projekten in Unternehmen über ganz Deutschland verteilt, in denen KVP nicht die gewünschten Ergebnisse geliefert hat. Leider fehlt aber in genau diesen Projekten immer wieder die Einsicht in die notwendige Betreuungsintensität von KVP!

Die Empfehlung heißt deshalb auch ganz klar, an erster Stelle bei Management und Geschäftsführung das Commitment einholen, dass KVP begleitet und betreut werden muss und dass die dort entwickelten Ideen aus einem eigenen Budget für KVP realisiert werden. Natürlich nicht in beliebiger Höhe, aber bis zu einem Wert, der die Ernsthaftigkeit des Unternehmens als Auftraggeber vieler Ideen zeigt!

 

Fußnote 1 Klaus Dörre, Jürgen Neubert, Harald Wolf; "New Deal" im Betrieb? Unternehmerische Beteiligungskonzepte und ihre Wirkung auf die Austauschbeziehungen zwischen Management, Belegschaften und Interessenvertretungen.