Resilienz - heute aktueller denn je

Im Jahre 2010 habe ich ein Buch unter dem Titel „Jenseits vom schnellen Gewinn“ (Orell Füssli) veröffentlicht, dessen Inhalte heute aktueller denn je sind. Ich habe darin herausgearbeitet, dass es langfristig für Unternehmen weniger um Effizienz, sondern um Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit geht. Effizienz kann danach lediglich Mittel zum Zweck sein, um diese Veränderungsfähigkeit, Changeability, wie ich es nenne, zu verwirklichen.

Ich habe in dem Buch bewusst den Begriff der Resilienz vermieden, da er damals hauptsächlich unter psychologischen Aspekten Verwendung fand. Inzwischen hat sich dieser Begriff geöffnet und wird auch in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen benutzt. Jeremy Rifkin, der amerikanische Vordenker und Erfolgsautor, verwendet ihn im Titel seines neuen Buches (Das Zeitalter der Resilienz. Leben neu denken auf einer wilden Erde; Campus 2022) und beschreibt darin genau diese Notwendigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft, sich anzupassen und Veränderungsdruck standzuhalten.

In meinem Buch „Jenseits vom schnellen Gewinn“ setze ich mich zunächst kritisch mit extremer Arbeitsteilung (aktuelles Stichwort: Lieferketten), mit dem herrschenden Optimierungs- und Wachstumswahn auseinander, um danach ein Konzept für Unternehmen zu entwickeln, wie sie Redundanzen nutzen, Menschen für Wandel aktivieren und Netzwerke aufbauen können. Ich plädiere für eine Veränderung der Unternehmens-DNA und zeige strukturelle Möglichkeiten und ein praktisches Vorgehen. (mehr dazu und ein erklärendes Video)

In den Jahren danach haben wir bei Humanagement das Hannoveraner Modell entwickelt, das auf den Prinzipien von Changeability und Resilienz beruht und sogar Möglichkeiten aufzeigt, diese Fähigkeit eines Unternehmens mittels Changeability-Check zu messen, zu bewerten und Wege zur Entwicklung aufzuzeigen. Wir konnten diese Instrumente in der Praxis erproben und einigen Unternehmen dadurch wichtige Impulse vermitteln. Es geht dabei um die richtige, und zwar für jedes Unternehmen und in jeder Situation besondere, Balance zwischen Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit, zwischen Effizienz und Redundanz, zwischen Innovation und Tradition. Diese Balance muss und kann systematisch auf allen Ebenen, von Ressourcen über Strukturen, Prozesse und Beziehungen bis zu den Werten und zum Denken hergestellt werden.

Unter dem Eindruck der aktuellen, ja leider nicht kurzfristigen Krisen, Covid und Krieg, durch die die grundsätzlichen und systemischen Probleme heute deutlich zutage treten, gewinnt Resilienz als Mischung zwischen Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit zweifellos an Bedeutung. Sie wird aktuell bei vielen grundsätzlichen Überlegungen stärker zugrunde gelegt (siehe Rifkin). Dieser Ansatz bietet Alternativen für die existenziellen Probleme durch Klimawandel, Überbevölkerung, Umwelt- und Ressourcenkatastrophen, durch soziale Verwerfungen und geopolitische Entwicklungen, und zwar jenseits der üblichen "Bekämpfungsstrategien". Wir werden die Welt nicht noch stärker auf unsere Bedürfnisse und nach unseren Wünschen zurechtbiegen können, sondern wir werden uns anpassen müssen.