Was fliegt uns denn heute wieder um die Ohren?

Viele Unternehmen und ihre verantwortlichen Führungskräfte sind aktuell mit Herausforderungen konfrontiert, wie sie sie noch nie hatten. Klar gab es immer schon Störungen im Tagesgeschäft, aber nicht in dieser Breite und Vehemenz. Nichts ist heute mehr vergleichbar mit Situationen vor sechs Monaten. Alles ist ins Wanken geraten, nichts ist mehr verlässlich, Chaos herrscht.

Für die Führungskräfte, vor allem jedoch für die verantwortliche Person an der Spitze des Unternehmens oder einer eigenständigen Unternehmenseinheit bedeutet dies, dass viele der bekannten Muster und Gewohnheiten von Führung nicht mehr funktionieren. Erprobte Standards landen mehr und mehr in Sackgassen, Schemata funktionieren nicht, was heute gilt, ist morgen überholt, auf Weniges nur ist noch Verlass. Bewährte Methoden führen zu den gleichen Ergebnissen, zu denen sie immer schon geführt haben, und die passen immer seltener zu den neuen Herausforderungen. Wie soll man die Lieferketten stabilisieren oder die Energiepreise kompensieren? Wie kann man Fachkräfte finden und binden, welche werden zukünftig wirklich gebraucht und wie ticken sie eigentlich? Wie soll man auf digitale Geschäftsmodelle umstellen, wenn noch nicht einmal die Basics funktionieren, und welche Geschäftsmodelle sind das überhaupt?

Fragen über Fragen, die auch den Beratern gestellt werden. Aber auch die Beraterzunft ist, wenn sie sich ehrlich macht, oft am Ende ihres Lateins. Denn auch ihre Methoden fußen auf den Erkenntnissen und Gewissheiten einer Zeit, in der noch alles nach Regeln und einigermaßen vorhersehbaren Gesetzmäßigkeiten lief. Welche der tiefgehenden Probleme können sie in dem aktuellen Chaos für ihre Klienten lösen? Eigentlich nichts! Alle diese Herausforderungen können nur die Führungskräfte selbst lösen. Beraterwissen hilft dabei nur eingeschränkt, denn es bezieht sich meist aus der Vergangenheit. Was in vergleichbaren Situationen funktioniert hat oder was sich aus vielen Fallbeispielen verallgemeinert wurde, bildet das Handwerkszeug der Berater. Aber heute haben wir es mit völlig veränderten, neuen Bedingungen zu tun, für die die alten Instrumente nur eingeschränkt funktionieren. Jede konkrete Situation braucht eine eigene Lösung, und die kann nur aus der Situation selbst heraus entstehen, also vor Ort in den Unternehmen.

Ich wähle persönlich als Berater einen anderen Weg, denn auch ich bekomme gerade mehr Anfragen als in „normalen“ Zeiten. Ich unterstütze die Führungskräfte bei deren Lösungsbemühen. Dabei komme ich immer wieder auf fünf grundlegende Ratschläge zurück.
 

# 1:

Nehmen Sie Ihre Mannschaft in die Verantwortung. Machen Sie ihr klar, dass es nur auf sie ankommt, dass nur sie die Lösungen finden können, und machen Sie sie dadurch stark. Setzen Sie auch auf Leute, die bisher eher im Hintergrund standen, weil diese vielleicht am ehesten in der Lage sind, neue Ansätze zu finden. Ermutigen Sie sie, nach vorn zu kommen und aktiv zu werden. Strahlen sie in diesen schwierigen Zeiten Vertrauen, Mut und Gewissheit aus. Diese souveräne Haltung ist das Entscheidende, was Sie als Führungskraft beitragen können. Die Menschen folgen nicht dem, der vornewegrennt und für alles eine Lösung hat, sondern dem, der ihnen vertraut und der auf sie setzt.
 

# 2:

Geben Sie Ihren Mitarbeitern eine Handlungsstruktur. Dazu gehört eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man Probleme analysiert und löst. Es ist extrem wichtig, Aktionismus zu vermeiden, und mit einer solchen Vorgabe erreichen Sie das. Dabei ist es noch nicht einmal wichtig, ob die Vorgabe lehrbuchgerecht, agil oder sonst irgendetwas ist, sie muss simpel sein und dafür sorgen, dass der zweite Schritt nicht vor dem ersten erfolgt.

Zu dieser Handlungsstruktur gehört aber genauso das Zurverfügungstellen von Zeit und Mitteln. Sie müssen Ihre persönlichen Aktivitäten genau darauf fokussieren, ihre Mitarbeiter handlungsfähig zu machen, ihnen die Bedingungen für den Erfolg zu schaffen.
 

# 3:

Sichern Sie Kontinuität, bleiben Sie dran. Das Schlimmste für die Mitarbeiter ist ein Chef oder eine Chefin, die nur „Wir schaffen das“ verkündet und sich dann nicht mehr sehen lässt. Oder jeden Tag eine neue Parole ausgibt. Nein, fragen Sie in kurzen Abständen nach, bleiben Sie dran, bieten Sie Unterstützung an. Gerade bei schwierigen, langwierigen Aufgabenstellungen oder bei stockendem Arbeitsfortschritt ist diese Kontinuität des Vorgesetzten wichtig. Es verbessert die Bearbeitungsqualität und signalisiert, dass wir niemals aufgeben.

# 4:

Planen Sie in kurzen Fristen, fahren Sie auf Sicht. Langfristige Planungen sind für unberechenbare Situationen, wie wir sie gerade haben, völlig ungeeignet. Klar, braucht es eine Idee, wo ungefähr wir hinmüssen, aber die konkreten Schritte müssen kurzfristig und konkret sein. Praktizieren Sie ein iteratives Vorgehen, mit dem Sie jederzeit Kurskorrekturen vornehmen können, ohne eine große Linie über den Haufen werfen zu müssen. Ein konkretes Handlungsziel für die nächsten drei Tage, dann eine neue Lagebeurteilung und auf dieser Grundlage das nächste Kurzfristziel. Dadurch gestalten Sie die Arbeitsfelder einfach - eine wesentliche Erfolgsgrundlage, denn kompliziert wird es von allein.
 

# 5:

Entscheiden Sie rasch und überprüfen Sie in kurzem Abstand die Auswirkung ihrer Entscheidung. Beides gehört zusammen: Die schnelle Entscheidung und der kurzfristige Termin für den Gegencheck. Diese zeitnahe Überprüfung ermöglicht überhaupt erst schnelles Entscheiden. Und das benötigen Sie, um in den unbekannten und unberechenbaren Gewässern manövrieren zu können, und Sie brauchen es, um die Mannschaft motiviert zu halten. Nichts demotiviert mehr, als nicht zu entscheiden. Zeitnahes Überprüfen ermöglicht die schnelle Korrektur von Fehlentscheidungen, die immer passieren können, übrigens auch wenn sie lange vorbereitet sind. Es geht – besonders in solche unsteten Zeiten – darum, schnell zu entscheiden. Ob Sie richtig entschieden haben, stellt sich sowieso erst später heraus – deshalb also zeitnah überprüfen. Und den Überprüfungstermin bereits mit der Entscheidung festlegen.
 

Diese fünf Ratschläge gebe ich meinen Klienten an die Hand und unterstütze sie bei der Umsetzung. Denn eins ist klar: Was hier so simpel als Ratschlag daherkommt, ist in der Praxis mitunter sehr schwierig umzusetzen und – vor allem – durchzuhalten. Dabei kann ich helfen, denn ich habe erstens die erforderliche Distanz und zweitens jede Menge Erfahrung bei der Fahrt in schwerem Wasser. Das ist der Vorteil eines langen und durchaus wechselvollen Lebens als Unternehmer: Ich weiß, wie man die Zähne aufeinanderbeißt, und ich weiß, dass man immer durchkommt.