In Zeiten wie diesen ...

Wenn die Rezession ihre Schatten voraus wirft, denken die Verantwortlichen in Unternehmen intensiv über Möglichkeiten der Kostenreduzierung nach. Mehr noch, sie setzen die Sparschere auch tatsächlich an. Das ist einerseits gut und richtig, denn in den vorangegangenen guten Zeiten hat sich da Vieles an Ausgaben angesammelt, was bei genauer Betrachtung wirklich nicht unbedingt sein muss. Aber Kürzungen bei Reisekosten, Bewirtungen und diversen Zuschüssen retten die Welt nicht. Ihr eigentlicher Wert besteht in der Erhöhung der Aufmerksamkeit beim Geldausgeben – und das ist sicher sehr wichtig. Manchmal allerdings wird es mit dieser Art Kürzungen übertrieben. Dann verdirbt es vor allem die Stimmung in der Truppe – und schon ist der Einspareffekt wieder futsch.

Wirkungsvoller sind dagegen Maßnahmen, die auf die Effizienz der Prozesse zielen. Dort hat sich nämlich in den „guten Zeiten“ häufig eine ganze Menge Speck angesetzt. Vieles ist redundant, bei genauer Betrachtung unnötig, wird aus Gewohnheit gemacht, oder damit die Leute einfach beschäftigt sind. Glauben Sie nicht? Na, dann hinterfragen Sie doch mal bei den Teammitgliedern, mit welchen Prozessen sie sich beschäftigen, an welchen sie beteiligt sind und für welche verantwortlich. Machen Sie Process Inventory und ordnen Sie die Prozesse den Kategorien Wertschöpfung, Wertschöpfungssupport, Administration und Sonstiges zu. Sie werden sich wundern! Allerdings handelt es sich bei dieser, von Humanagement speziell entwickelten Methode des Process Inventory nicht um Prozessanalyse und Prozessdokumentation im eigentlichen Sinne. Wir zeichnen nicht die Prozesse auf, sondern folgen einem anderen Blickwinkel: Was tut der Mitarbeiter tatsächlich! Und da kommen ganz andere Wahrheiten ans Licht. Und – schöner Nebeneffekt – den Mitarbeitern wird oft erst so richtig bewusst, in welche Prozesse sie so alles involviert sind.

Ich jedenfalls erschrecke immer wieder, wenn ich nach einer solchen Inventur, die ich gemeinsam mit den Teams vorgenommen habe, die Aktivitätsverteilung sehe. Mitunter wird die Wertschöpfung von den übrigen Kategorien regelrecht erstickt. Allerdings: Mit der Darstellung der Situation ist natürlich erst der Beginn des Weges beschritten. Um Besserung zu erzielen und wirklich effizient zu werden, müssen oft mutige Entscheidungen gefällt werden, und zwar gegen Gewohnheiten, gegen Sicherheit und für Risiko. Das Gute an Rezessionen oder drohenden Rezessionen besteht darin, dass Mut zum Risiko unausweichlich wird.

An dieser Stelle sind Führungskräfte besonders gefordert. Es müssen brisante Entscheidungen getroffen werden, die oft genug von den üblichen Denkschemata abweichen. Der Dreh- und Angelpunkt sind dabei nicht einmal die Prozesslandschaften an sich und wie man sie verbessern kann. Für die Führungskraft geht es vielmehr darum, wie sie die Teams und jeden einzelnen Mitarbeiter dazu bringen kann, Prozessverbesserung intensiv und dauerhaft in den Fokus zu nehmen. Prozessverbesserung muss zum Mittelpunkt aller Arbeit werden, ständig und für jeden! Dazu braucht es Entscheidungen, Orientierung, Instrumente, Vorbild und Ermutigung – kurz: Führung. Denn seien wir doch ehrlich – die Optimierung von Prozessen ist für die Beteiligten mitunter nicht wirklich angenehm. Da kann ja durchaus herauskommen, dass plötzlich einzelne Mitarbeiter freigesetzt werden oder sich ihre Arbeitsinhalte dramatisch verändern. Und bei all diesem „Change“ geht es schließlich darum, die Mannschaft motiviert zu halten. Oder sie überhaupt erst einmal motiviert zu bekommen.

Ich hatte in einem der letzten Infobriefe bereits über das Prinzip Denkpartnerschaft geschrieben. Denkpartnerschaften können, neben aktiver Arbeit bei Process Inventory, genau dazu dienen, Prozesse zu verbessern, in Größenordnungen zu sparen und damit Rezession erfolgreich zu überstehen. Aber sie reflektieren eben auch das Umfeld der Prozessoptimierung, ihre Auswirkungen im sozialen Gefüge des Unternehmens und bei den Befindlichkeiten der Mitarbeiter. Und letztere sind wichtig, weil Mitarbeiter zunehmend mehr sind als Prozessabarbeiter. Sie müssen initiativ sein, kreativ und engagiert. Und das ist Befindlichkeit.