Richtig führen?

Delegieren, loslassen, nicht hineinreden, den Mitarbeitern vertrauen. Solche und andere Begrifflichkeiten werden bemüht, wenn es um richtiges Führen geht. Andererseits werden Mikromanagement, Vorgaben, Detailversessenheit und Kontrolle für ein nicht zeitgemäßes Führungsverhalten herangezogen. In vielen Diskussionen, aber auch in sogenannten Fachartikeln zum Thema sind diejenigen schlechte, gestrige Führungskräfte, die sich um Details und Fachfragen kümmern und die Überflieger sind die Guten, werden als Generalisten gefeiert.

Das ist alles ausgemachter Quatsch, der von klischeehafter Oberflächlichkeit bei der Beschäftigung mit dem Thema zeugt. Eigentlich geht es doch um etwas völlig anderes. Es geht um die Frage, ob Mitarbeiter durch ihre Führungskraft zu eigenständigem, verantwortungsbewusstem und engagiertem Handeln gebracht werden, oder ob sie lustlos und ohne zu Denken ihren Routinen folgen. Und beides kann auf unterschiedlichste Weise entstehen. So können enge Vorgaben und ständiges Hineinregieren ebenso zu innerer Kündigung führen, wie das als Interesselosigkeit wahrgenommene Laufenlassen und Beobachten aus der Distanz der „langen Leine“. Andererseits kann sowohl eine tiefgehende Detaildiskussion zwischen Mitarbeiter und Führungskraft hochmotivierend sein, als auch im anderen Falle das Setzen langfristiger Ziele und die Gewährung großen Gestaltungsfreiraums.

Die richtige Antwort auf die Frage nach richtiger Führung wird doch von der konkreten Situation bestimmt und nicht von irgendwelchen Führungskonzepten. Was in der einen Situation, die durch die beteiligten Personen, die jeweilige Problemlage und viele andere Details bestimmt wird, als Motivationsschub funktioniert, kann in einer anderen Situation die glatte Motivationsbremse sein. Führungskräfte müssen sich also zunächst einmal von den leider sehr verbreiteten Klischees und Vorgaben für angeblich richtige Führung frei machen. Sie müssen zweitens mit ihren Mitarbeitern und deren Aufgaben in engem Kontakt sein, darüber Bescheid wissen. Und dann müssen sie den Mut und die Intelligenz aufbringen, die für den Einzelfall aus ihrer ganz persönlichen Sicht passende Vorgehensweise wählen. In dem einen Fall kann das bedeuten, dass die Führungskraft lediglich Ziele setzt und Prioritäten vorgibt und den Mitarbeitern alles Weitere überlässt. In einem anderen Fall ist es richtig, die Ziele und Prioritäten gemeinsam zu erarbeiten. In einem anderen Fall ist enge Kontrolle hilfreich, in einem anderen kann man auf Selbstkontrolle setzen. Manchmal brauchen die Mitarbeiter in der Tat genaue Vorgaben, wie sie die Aufgaben lösen sollen, ein anderes Mal ist völlige Lösungsoffenheit richtig.

Eine aus meiner Sicht sehr originelle Vorgehensweise für Mitarbeiterführung liegt dem Toyota Kata System zugrunde. Die Führungskraft lässt sich vom Mitarbeiter genau begründen, wie er bei der Aufgabenlösung vorgehen will, ohne selbst Lösungsvorschläge zu machen. Das kann bis in die tiefsten Details gehen, muss es aber nicht. Die Detailtiefe hängt von der konkreten Situation ab und wird von einer erfahrenen Führungskraft angemessen festgelegt. Der Mitarbeiter muss seine Führungskraft überzeugen, dass er das Problem ausreichend durchdrungen hat und auf dem richtigen Weg ist. Das schafft ihm am Ende das Erfolgserlebnis, die richtige Lösung gefunden und mit ihr überzeugt zu haben, motiviert ihn also, und – by the way – entwickelt er sich aktiv weiter. Die Führungskraft ihrerseits gewinnt durch diese Vorgehensweise die notwendige Sicherheit, ihren Teil der Verantwortung zu tragen, ohne selbst aktiv einzugreifen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine solche Vorgehensweise vielen Menschen schwerfällt. Führungskräfte sind immer versucht, selbst zu früh Lösungsvorschläge zu machen und verderben dabei den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Lösungen zu entwickeln und wirklich erfolgreich zu sein. Mitarbeiter haben dagegen oft Schwierigkeiten damit, immer wieder hinterfragt und in Diskussionen verwickelt zu werden, die zu eigenem Denken und höherer Verantwortung zwingen. Eine nicht ganz einfache Konstellation, die von beiden Seiten Geduld und Übung verlangt. Aber langfristig ist es ein guter Weg!